Heimlich: Christine Schwindack im Heimat Zine

Für die dritte Ausgabe wollten wir von euch wissen: Wie ist das eigentlich mit den Dingen, die wir für uns behalten? Christine Schwindack hat uns nicht nur in die Interpretation dieser Frage eingeweiht, sondern stellt auch sich und ihre kreative Arbeit vor.



Ich bin Christine Schwindack oder Anselms Mama. Mein künstlerisches Schaffen beschränkt sich darauf, Lebenskünstler zu sein, da ich außerdem die Mama von Johann, Anna und Katharina bin. Die Anteilnahme und Begleitung meiner Kinder in ihren Entwicklungsphasen inspiriert mich zum Nachdenken und zur Selbstreflexion, um mich an einem Text  oder an der Einübung eines Musikstückes zu versuchen, das man dann vielleicht gemeinsam musizieren oder sich zur Freude vorspielen kann. Sie sind neben der Musik meine Kraft und Lebensfreude. Die Beobachtung und liebevolle Begleitung von Kindern und des Kindes in uns ist meine Lebensaufgabe. Ich bin Wegweiser.



Geheimnisse sind geheim – im Verborgenen, unsichtbar, im Dunkeln. Deshalb gibt es keine Bilder dazu. Manchmal taucht ein Zipfel auf, wie im Nebel, gibt uns Rätsel auf, macht uns fragend: „Was mag da sein? Was verbirgt sich hinter dem Schleier?“
Ich möchte von einem Familiengeheimnis erzählen, auf das ich gestoßen bin, als ich rechnen lernte und begann, die Geburtstage und Geburtsjahre meiner Familienmitglieder bewusst wahrzunehmen.
Ich bin noch in einer Großfamilie aufgewachsen mit Eltern und Großeltern in einer Wohnung. Die Kriegsjahre mit Flucht und Gefangenschaft und dem Glück des Überlebens und Wiederfindens, die Not der Nachkriegsjahre hatten sie gelehrt, auch auf engem Raum zusammen zu leben. Die Eltern meiner Mutter wohnten ganz selbstverständlich bei uns, so lange ich denken konnte.
Wie kam es aber, dass Opa nur 15 Jahre älter war als meine Mutter? Und wie kam es, dass im Familienstammbuch meiner Eltern bei meiner Mutter nachträglich mit ihrer Handschrift der Name meines Opas als Vater eingesetzt war? Ich wagte nicht danach zu fragen!
War meine Mutter, Jahrgang 1917, das lebende Ergebnis einer Soldatenliebe? War sie unehelich geboren? Hat meine Großmutter sie allein groß gezogen? Hat Opi eine ledige Frau mit Kind geheiratet – eine Schande zur damaligen Zeit? Warum hatten sie keine gemeinsamen Kinder mehr? Oder war er doch der leibliche Vater – mit 15 Jahren? Eine Jugendsünde?
Bis heute ist dieses Geheimnis nicht gelüftet. Nie wurde darüber gesprochen – aus Angst, Wunden aufzureißen? Auch mein Bruder weiß nichts Genaues. Dieses Geheimnis wurde mit ins Grab genommen.
Aber wir wissen und haben erlebt, dass Opi die Omi in Liebe angenommen hat, ein Leben lang für seine Familie gut gesorgt hat auch in Zeiten von Hunger und Not zu ihr gestanden hat.
Und er war der Vater meiner Mutter ein Leben lang, zumindest für mich. Was zählt mehr?


Bild: Heimat Zine
Text: Christine Schwindack

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