Saras Heimat

Wir baten euch zur Revision und damit, uns zu schreiben, was sich für euch hinter dem Begriff Heimat verbirgt. Und das hat Sara getan.


Wenn du an die Heimat und was sie für dich bedeutet denkst, wann hast du dich am weitesten entfernt gefühlt?

Ich war mal in Dänemark mit dem Fahrrad über eine längere Strecke unterwegs. Kam eben von einem Freund, den ich besucht hatte. Seit ein paar Tagen schon hatte ich leichte Knieschmerzen gehabt, die ich ignoriert hatte, obwohl sie kontinuierlich stärker geworden waren. Ich war also mit dem Rad auf einem Rückweg und schon nach wenigen Kilometern hatte ich so starke Schmerzen, dass mir die Tränen in den Augen standen. Jeder weitere Tritt trieb einen weiteren Nagel in mein Knie – bis ich nicht mehr konnte und zu Fuß viele Kilometer in die nächste Stadt humpelte, von wo aus ich einen Zug in meine dänische Wohnstadt nehmen konnte. In Dänemark fühlte ich mich mit meiner Gastmutter – meine Gastfamilie bestand lediglich aus einer alleinstehenden Mittdreißigerin – nie wohl und konnte sie einfach nicht um Hilfe bitten. Mein Stolz war stärker. Auch sonst fiel mir niemand ein, der mir aus dieser Situation hätte helfen können. Ich war dort nicht zuhause. Sprache und Mentalität waren mir letztendlich fremd geblieben. Aber vor allem: Meine Familie war nicht da. Meine Familie, in der Stolz keinen Platz hat. Niemanden konnte ich um Hilfe bitten, niemand bot mir auf der Straße Hilfe an, obwohl meine Verletzung und Verzweiflung offensichtlich waren. Ich war wütend. Ich hasste. Und ich war verdammt alleine.

Wie hat es sich angefühlt, nach der kurzen/langen/intensiven Abwesenheit zurückzukehren?
Überwältigt. Vor allem weil ich es nicht erwartet hatte, aber als ich nach Hause kam, überschwemmte mich die Vertrautheit aller Alltäglichkeiten, die Schönheit meines Dorfs, der Natur, die Berechenbarkeit der Menschen, die Sprache! - Gerade die! Ich fühlte mich geborgen, sicher, verbunden, eingebunden in ein soziales Netz. Ich hatte wieder Familie. Ich gehörte wohin. Ich konnte mich aufrichtig um andere sorgen, und sie sich um mich. Dieser Zusammenhalt, nie zuvor spürte ich ihn so stark. Und dann das Gefühl, nur zuhause die beste Version von mir selbst sein zu können.

Hast du woanders als an dem Ort, an dem du aufgewachsen bist, eine Heimat gefunden? Was macht diesen Ort zu deiner Heimat?
Noch nicht, aber immer mehr wird Wien zu einem Ort, den ich als Zuhause sehe. Was ihn zu einem Zuhause macht, ist, dass mir die Stadt immer vertrauter wird, ich sie und ihre Menschen mehr und mehr kennen lerne – und meine Schwester, die mit ihrem Freund hergezogen ist.

Umgibst du dich, während du weg bist, mit etwas, was dich an die Heimat erinnert?
Ich bin zwar nicht mehr im Ausland, aber auch nicht in meinem Heimatdorf, das ich nach wie vor als mein Zuhause #1 sehe (so sehr es sich über die Jahre auch gewandelt hat). Mein Zuhause sind in erster Linie meine Schwestern, und meine Familie 2.0 (Scheidung, manche Menschen gingen, neue sind gekommen). Deswegen symbolisiert vor allem ein Foto von ihnen auf meinem Schreibtisch Zuhause für mich.

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